Kartengeschichten Teil 7:  Wien im Wandel – Eine Stadtansicht aus dem Jahr 1612

Kartengeschichten Teil 7: Wien im Wandel – Eine Stadtansicht aus dem Jahr 1612

Wie Georg Braun und Frans Hogenberg die kaiserliche Residenz im Bild der Zeit festhielten

Wenn man die alte Ansicht von Wien aus dem Jahr 1612 betrachtet, blickt man in eine Stadt, die zugleich prachtvoll, bedroht und lebendig war. Die Kupferstichkarte trägt den Titel „Vienna Austriae“ und stammt aus dem berühmten Städteatlas „Civitates Orbis Terrarum“, der zwischen 1572 und 1618 erschien – dem wohl ersten globalen Städteatlas überhaupt.

Der Atlas war das Werk des Kölner Theologen Georg Braun und des flämischen Kupferstechers Frans Hogenberg. Er setzte die Idee von Abraham Ortelius fort, der mit seinem Theatrum Orbis Terrarum den ersten Weltatlas geschaffen hatte – doch während Ortelius die Welt als Ganzes zeigte, öffneten Braun und Hogenberg den Blick auf die Städte, auf das Leben, das sich in ihren Mauern abspielte.

Ein Wien zwischen Reich, Residenz und Bedrohung

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war Wien weit mehr als eine Stadt: Sie war die Residenz des Hauses Habsburg und damit das politische Herz des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Auch wenn das Reich keine formelle Hauptstadt kannte, wurde hier regiert, verhandelt und Geschichte geschrieben.

Doch das Leben in Wien war gefährlich. Die Stadt wurde immer wieder belagert – 1529 und 1683 durch die Osmanen, dazwischen mehrfach während des Dreißigjährigen Krieges.
Diese ständige Bedrohung prägte das Stadtbild: Mauern, Bastionen und Gräben umgaben Wien wie ein steinernes Bollwerk.

In der Karte von 1612 lässt sich diese Wehrhaftigkeit deutlich erkennen – die Befestigungen sind sorgfältig dargestellt, mit spitzen Bastionen und Schrägen,
die den neueren Belagerungstechniken Rechnung tragen. Hier zeigt sich, wie sehr die Kartographie auch Zeugnis von Militärgeschichte ist.

Der Blick aus dem Norden

Die Karte zeigt Wien aus einer nördlichen Perspektive. Man erkennt im Vordergrund die Donau, die sich damals in mehrere Arme teilte. Der heute bekannte Donaukanal war zu jener Zeit noch ein Nebenarm, der später ausgebaut wurde und das Stadtbild bis heute prägt. Rechts davon fließt die kleinere Wien, die im Wienerwald entspringt und ebenfalls in den Donaukanal mündet.

Im Hintergrund erhebt sich der Wienerwald – der letzte Ausläufer der Alpen, zu jener Zeit weitgehend gerodet, da Holz für Bauwerke, Schiffe und Brennmaterial gebraucht wurde.
Im Vordergrund erkennt man Schiffe beim Be- oder Entladen von Holz – ein typisches Motiv dieser Zeit, das vom regen Handel und Leben am Fluss erzählt. 

Leben vor den Toren der Stadt

Vor den Mauern zeigt die Karte ein lebendiges Treiben: Händler, Tiere, Fuhrwerke, Bauernhöfe – das Umland Wiens war dicht besiedelt. Rund um die Stadt ziehen sich Versorgungshöfe wie ein Ring, oben rechts liegt der Viehmarkt, und im Vordergrund erkennt man den Hafen, dort, wo heute der Schwedenplatz ist. Selbst die Donauinsel war bereits bebaut – ein frühes Zeichen des Wachstums.

Innerhalb der Mauern – ein Blick ins alte Wien

Im Inneren der Festungsanlage zeigt sich eine Stadt, deren Struktur sich deutlich von modernen Städten unterscheidet. Die Bebauung wirkt unregelmäßig – organisch gewachsen über Jahrhunderte. Straßen und Plätze folgen keiner strengen Geometrie,
sondern sind das Ergebnis natürlicher Entwicklung.

Zentral erhebt sich der Stephansdom, das dominierende Bauwerk der Stadt. Er war schon damals Symbol Wiens und Mittelpunkt des religiösen Lebens. Seine herausragende Darstellung in der Karte weist auf den Bischofssitz hin – und auf die Bedeutung der Kirche in der Stadtgesellschaft.

Daneben erkennt man die Hofburg im Süden, die Residenz der Habsburger, deren Gebäude über Jahrhunderte erweitert und umgebaut wurden.

Auch das Wegenetz wirkt vertraut: Der Weg vom Nordtor, dem sogenannten Wassertor,
entspricht der heutigen Rotenturmstraße, die hinter dem Stephansdom in den Graben mündet – eine Struktur, die bis heute im Stadtplan sichtbar ist.

Ein Wien voller Geschichte

Diese Karte ist mehr als ein Abbild. Sie ist ein Fenster in die Zeit, in der Wien zwischen Mittelalter und Barock, zwischen Religion und Vernunft, zwischen Bedrohung und Blüte stand.

Sie zeigt eine Stadt im Wandel – und erinnert daran, dass jede Epoche ihre eigene Geografie besitzt: eine Geografie der Macht, der Menschen und der Erinnerung.

Ein Stück Wien für Zuhause

Diese historische Stadtansicht von Wien (1612) nach Georg Braun und Frans Hogenberg ist Teil des Sortiments der Kartenhandlung Rothert – gedruckt in Museumsqualität, wahlweise ungerahmt oder hochwertig gerahmt bis 80 × 60 cm.

➡️ Jetzt entdecken: Landkarte – Stadt Wien um 1612

Außerdem gibt es diesen Blog-Eintrag als YouTube-Video:

Leave a comment