Kartengeschichten Teil 3: Die Karte von Holstein und Schleswig (1609)

Kartengeschichten Teil 3: Die Karte von Holstein und Schleswig (1609)

Wie Abraham Ortelius das Grenzland zwischen Deutschland und Dänemark in Kupfer fasste

Norddeutschland im späten 16. Jahrhundert – ein Landstrich zwischen Sturmfluten und Staaten, zwischen Küste und Königshof. Hier, wo Nord- und Ostsee nur wenige Stunden voneinander entfernt sind, verläuft seit Jahrhunderten eine Grenze, die mehr verbindet, als sie trennt: die zwischen Holstein und Schleswig.

Die Karte „Beschreibung von Holstein“ wurde ursprünglich 1584 von Marco Iordano Holsato entworfen und später von Abraham Ortelius in seinen bahnbrechenden Atlas „Theatrum Orbis Terrarum“ aufgenommen – dem Schauplatz der bewohnten Welt, dem ersten modernen Atlas der Geschichte.

Im Jahr 1609 erschien sie in einer überarbeiteten Fassung: eine feine, detailreiche Darstellung eines Landes, das sowohl zum Heiligen Römischen Reich als auch zum Königreich Dänemark gehörte – ein politisches und kulturelles Doppelwesen, das in Ortelius’ Linien Gestalt annimmt.

Zwischen Kaiser und König – ein doppeltes Herzogtum

Das Herzogtum Holstein war um 1600 Teil des Heiligen Römischen Reiches, aber zugleich ein Lehen des dänischen Königs – eine komplizierte, fast symbolische Verbindung zwischen nordischer Krone und deutscher Reichspolitik.

Nördlich davon lag das Herzogtum Schleswig, das allein dem Königreich Dänemark unterstand.
Dänemark war zu dieser Zeit ein reformiertes Land, das nicht nur über das heutige Staatsgebiet,
sondern auch über Island, Grönland, Norwegen und Teile Südschwedens herrschte. Eine maritime Großmacht mit protestantischer Prägung – und mit engen Verbindungen in das holsteinische Land, das kirchlich, sprachlich und wirtschaftlich verwoben blieb.

Holstein – zwischen Elbe, Eider und Hanse

Der südliche Teil der Karte zeigt das Herzogtum Holstein, begrenzt im Süden durch die Elbe und die beiden freien Hansestädte Hamburg und Lübeck. Im Norden zieht sich die Eider als natürliche Grenzlinie, bevor sie später in der Geschichte durch den Nord-Ostsee-Kanal ersetzt wurde.

In Holstein entspringen die Flüsse Trave und Eider, und Orte wie Kiel und Itzehoe markieren die wichtigsten Zentren des Herzogtums. Im Westen liegt Dithmarschen, eine Region mit starkem bäuerlichem Selbstbewusstsein, die – ebenso wie die Insel Fehmarn – eine gewisse Eigenständigkeit gegenüber dem Adel bewahrte.

Holstein war im besten Sinne Übergangsland: ein Knotenpunkt zwischen deutscher Hanse und dänischem Königreich, zwischen Nordseehandel und Ostseekultur.

Schleswig – das Land zwischen den Meeren

Der nördliche Teil der Karte zeigt das Herzogtum Schleswig, eingefasst von Nordsee und Ostsee, durchzogen von der Schlei und den typischen Marschlandschaften. Die Eider bildet erneut die Südgrenze, während der Norden an den Kartenrand stößt – denn das vollständige Gebiet war zur Zeit Ortelius’ noch nicht genau vermessen.

An der Westküste liegt Nordfriesland, damals wie heute von den Friesen geprägt, deren Kultur sich über Jahrhunderte hinweg entlang der Küste von den Niederlanden bis Jütland erstreckte.

Ortelius’ Darstellung ist hier generalisiert, doch erkennt man bereits Inseln, die uns heute vertraut sind – Sylt, Pellworm, Amrum – auch wenn ihre Formen durch Sturmfluten und Landnahme seither stark verändert wurden.

Wichtige Städte sind Flensburg, Schleswig, Husum und Apenrade – Zentren des Handels und der Verwaltung in einer Region, die stets zwischen zwei Welten stand.

Dithmarschen, Eiderstedt und Fehmarn – freie Bauern und stolze Gemeinden

Ein besonderes Kapitel der Karte bilden die eigenständigen Landschaften Dithmarschen, Eiderstedt und Fehmarn. Hier dominierte nicht der Adel, sondern eine starke bäuerliche Oberschicht. Städte wie Meldorf, Tönning und Burg auf Fehmarn zeugen bis heute von dieser Tradition lokaler Selbstverwaltung, die in ganz Europa nur selten vorkam.

Küste, Inseln und Sturmfluten

Ortelius’ Karte erinnert daran, wie dynamisch die norddeutsche Landschaft einst war. Die Westküste war geprägt vom Wattenmeer, von Landgewinnung und Sturmfluten. So ist etwa Büsum auf der Karte noch als Insel verzeichnet – heute längst Teil des Festlands.

Besonders eindrücklich: die Insel Strand, damals die größte nordfriesische Insel, die 1634 – nur wenige Jahrzehnte nach Entstehung der Karte – durch eine verheerende Sturmflut in Pellworm und die Halbinsel Nordstrand zerrissen wurde.

Die Karte dokumentiert damit nicht nur politische, sondern auch geographische Vergänglichkeit –
eine Landschaft im ständigen Wandel durch Wind, Wasser und Menschenhand.

Ränder einer Welt – die Nachbarn Holsteins

Am Kartenrand erkennt man Lolland im Nordosten, die Herzogtümer Lüneburg und Mecklenburg sowie die Freie Hansestadt Lübeck im Osten. Im Süden liegen Hamburg und das Erzbistum Bremen, im Westen die Grafschaften Kleve und Bentheim – ein geographisches Netzwerk aus Handel, Glauben und Geschichte, das den Norden Europas über Jahrhunderte prägte.

Ein Stück Küstengeschichte für Zuhause

Diese detailreiche Karte von Holstein und Schleswig ist ein einzigartiges Zeugnis norddeutscher und dänischer Geschichte – ein Werk zwischen Reformation, Sturmflut und Seefahrt.

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