Kartengeschichten Teil 1: Joan Blaeus Karte der bekannten Welt um 1635

Kartengeschichten Teil 1: Joan Blaeus Karte der bekannten Welt um 1635

Wie ein niederländischer Kartograph das Bild unserer Erde neu formte

Amsterdam im 17. Jahrhundert – die Stadt ist das pulsierende Zentrum des Wissens, der Seefahrt und der Kartographie. Zwischen Druckwerkstätten, Händlern und Gelehrten arbeitet Joan Blaeu, Sohn des berühmten Willem Blaeu, an einer Aufgabe, die größer kaum sein könnte: die gesamte damals bekannte Welt auf einem Blatt Papier festzuhalten.

Sein Werk trägt den stolzen Titel „Nova totius terrarum orbis geographica ac hydrographica“ – „Neue ganze bewohnte Welt, geografisch und hydrografisch“. Veröffentlicht wurde sie um 1635 im monumentalen Atlas „Theatrum Orbis Terrarum sive Atlas Novus“, dem sogenannten Theater der bewohnten Welt.

Ein Weltbild in Kupfer gestochen

Blaeus Karte zeigt die Welt, wie sie in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verstanden wurde.
Europa, Afrika, Asien und Südamerika sind erstaunlich präzise dargestellt – für die damalige Zeit ein kartographisches Meisterwerk. Die polaren Regionen hingegen bleiben leer, noch unentdeckt und voller Geheimnisse.

Australien etwa ist nur schemenhaft sichtbar – ein Land, das gerade erst von europäischen Seefahrern entdeckt, aber noch nicht vollständig erforscht wurde. In Blaeus Welt verschmilzt es mit dem angenommenen Südkontinent – eine Erinnerung daran, wie sehr Wissen und Vorstellungskraft damals ineinandergriffen.

Angst, Glaube und das Meer

Zwischen den Linien der Küsten und den Ornamenten des Meeres erscheinen mystische Wesen – Seemonster, halb Fisch, halb Fabelwesen. Sie stehen sinnbildlich für die Ängste jener Zeit, in der das Meer sowohl Lebensader als auch Bedrohung war.

Die Karte erzählt damit nicht nur Geografie, sondern auch Psychologie: Sie zeigt eine Welt, in der Wissenschaft und Aberglaube, Entdeckungslust und Ehrfurcht noch dicht beieinanderlagen.

Ein Hauch von Präzision: Äquator und Meridian

Trotz aller Mythen besticht Blaeus Karte durch erstaunliche Genauigkeit. Der Äquator ist exakt gezogen, die Längen- und Breitengrade sind nach einem kartesischen System angelegt – ein Zeichen, dass die Himmelskunde und Vermessungskunst ihrer Zeit bereits ein hohes Niveau erreicht hatten.

Nur der Nullmeridian liegt noch nicht in Greenwich, sondern mitten im Atlantik – denn erst 1884, fast 250 Jahre später, wurde der heutige Standard bei einer internationalen Konferenz in Washington festgelegt.

Die Welt als Bühne – Die Seitenränder erzählen mit

Blaeus Karte ist nicht nur eine Landkarte – sie ist ein Kunstwerk. Die Ränder sind reich verziert mit allegorischen Darstellungen, die den damaligen Wissenshorizont spiegeln:

  • Auf der linken Seite: die vier Elemente – Feuer, Luft, Wasser, Erde.

  • Auf der rechten Seite: die vier Jahreszeiten – Frühling, Sommer, Herbst, Winter.

  • Am oberen Rand: die sieben damals bekannten Planeten – Luna, Merkur, Venus, Sol, Mars, Jupiter und Saturn.
    Uranus und Neptun waren noch unentdeckt.

  • Am unteren Rand: die sieben antiken Weltwunder – von den hängenden Gärten Babylons bis zu den Pyramiden von Gizeh.

Diese bildhafte Einbettung ist typisch für die Renaissance und den Barock, in denen die Antike als Quelle von Schönheit und Ordnung galt. Blaeu verband Wissenschaft und Ästhetik, Weltwissen und Weltdeutung – ein echter Humanist im Geist seiner Zeit.

Ein Fenster zur Vergangenheit

Wenn man heute vor dieser Karte steht, sieht man mehr als nur Linien und Länder.
Man sieht den Blick einer Epoche, die versuchte, die Welt zu begreifen – mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung standen: Kompass, Sternenhimmel, Kupferplatte und Vorstellungskraft.

Blaeus Weltkarte ist eine Einladung, innezuhalten und zu staunen – über das Wissen, das wir gewonnen haben, und über den Mut, mit dem Menschen schon vor Jahrhunderten ihre Welt zu vermessen begannen.

Ein Stück Geschichte für Zuhause

Diese Weltkarte nach Joan Blaeu (1635) ist Teil des Sortiments der Kartenhandlung Rothert
gedruckt auf hochwertigem Papier, in Museumsqualität und auf Wunsch gerahmt.

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