Kartengeschichten Teil 2: Abraham Ortelius’ Karte von Münster und Osnabrück (1609)

Kartengeschichten Teil 2: Abraham Ortelius’ Karte von Münster und Osnabrück (1609)

Wie zwei nordwestdeutsche Hochstifte zur Bühne der Geschichte wurden

Nordwestdeutschland um 1609: Europa ist in Bewegung, religiös wie politisch.
Zwischen Reformation und Gegenreformation entstehen neue Machtgefüge, Glaubensfragen prägen das tägliche Leben – und mittendrin liegen die beiden Bistümer Osnabrück und Münster.

Der Antwerpener Kartograph Abraham Ortelius, einer der Begründer der niederländischen Schule der Kartographie, erfasst diese Region in einer Karte, die weit mehr zeigt als nur Linien und Orte. Sie ist Teil seines bahnbrechenden Atlas „Theatrum Orbis Terrarum“ – dem Theater der bewohnten Welt, erstmals erschienen 1570 und bis weit ins 17. Jahrhundert hinein stetig erweitert.

Seine Karte der Bistümer von 1609 gehört zu den detailreichsten Darstellungen jener Zeit und markiert eine Epoche, in der Glaube, Politik und Geografie untrennbar miteinander verwoben waren.

Zwischen Rom und Reformation

Zur Zeit Ortelius’ waren die Bistümer Münster und Osnabrück Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die Reformation hatte sich bereits in vielen Regionen ausgebreitet, und die religiöse Landschaft Nordwestdeutschlands war zersplittert.

Gerade die beiden Städte Münster und Osnabrück sollten später im Dreißigjährigen Krieg eine zentrale Rolle spielen: Als Orte des Westfälischen Friedens wurden sie Symbol für den Versuch, Europa neu zu ordnen – geografisch wie geistig.

Osnabrück – zwischen Hase, Hunte und Teutoburger Wald

Der Hochstift Osnabrück zeigt sich auf der Karte als vielfältiges Territorium ohne einheitliche Konfession. Hier entspringen die Flüsse Hase und Hunte, und der Teutoburger Wald bildet die natürliche Südgrenze. Ortelius zeigt Orte, die bis heute vertraut klingen: Quakenbrück, Melle, Iburg und Fürstenau – allesamt Teil eines Bistums, das durch seine Lage zwischen katholischen und protestantischen Gebieten zu einem religiösen Grenzraum wurde.

Das Niederstift Münster – das alte Oldenburger Münsterland

Westlich davon liegt der Niederstift des Hochstifts Münster, ein Gebiet, das heute in etwa den Landkreisen Cloppenburg und Vechta entspricht. Zur Zeit Ortelius’ war die Region überwiegend lutherisch geprägt, obwohl sie kirchenrechtlich zum Bistum Münster gehörte.

Die Karte zeigt einen schmalen Korridor, der den Niederstift mit dem Oberstift verband – eine geografische Besonderheit, die zeigt, wie komplex die Grenzen der damaligen geistlichen Territorien waren. Städte wie Meppen, Haselünne, Cloppenburg, Vechta und Wildeshausen markieren ein eng vernetztes Gebiet zwischen Kirche, Handel und Landwirtschaft.

Das Oberstift Münster – Handel, Hanse und Heimat

Das westliche Oberstift Münster umfasste das heutige Münsterland mit den Kreisen Borken, Coesfeld und Steinfurt. Im Westen reichte es bis an die Grafschaft Kleve und die niederländische Grenze. Über Flüsse wie die Berkel und durch die alten Fernhandelsstraßen war die Region wirtschaftlich eng mit den Niederlanden verbunden.

Der östliche Teil – mit der Stadt Münster selbst und dem heutigen Landkreis Warendorf
war schon damals ein Knotenpunkt des Handels. Über die Hanse reichten die Beziehungen bis nach Nordosteuropa. Während des 16. und 17. Jahrhunderts wechselte die Region mehrfach ihre religiöse Prägung, bevor sie schließlich katholisch blieb – wie das Münsterland bis heute.

Kleine Grafschaften, große Geschichte

Ortelius’ Karte zeigt neben den großen Bistümern auch kleinere Gebiete, die politische und wirtschaftliche Bedeutung hatten: die Grafschaft Tecklenburg im Teutoburger Wald, die Grafschaft Lingen sowie Ravensburg, das zu den Vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg gehörte und Teile des heutigen Ostwestfalen mit Bielefeld und Herford einschloss.
Alle waren Teil des vielschichtigen Mosaiks des Heiligen Römischen Reiches –
ein Flickenteppich aus Herrschaften, Bistümern und Grafschaften, der in Ortelius’ Karte lebendig wird.

Wälder, Flüsse und das Relief der Region

Auch landschaftlich ist die Karte bemerkenswert.
Ortelius zeigt den Teutoburger Wald, die Borkenberge, die Baumberge im Münsterland und das Hengsterholz südwestlich von Delmenhorst. Interessanterweise fehlen das Wiehengebirge und die Maiburg – ein Hinweis darauf, dass manche Erhebungen damals nicht als kartografisch relevant galten oder schlicht unbekannt waren.

Die großen Flüsse – Ems, Lippe, Hase und Hunte – verlaufen nahezu so wie heute.
Auch der Dümmer See ist bereits eingezeichnet – ein seltenes Beispiel für geographische Kontinuität über Jahrhunderte hinweg.

Ein Spiegel der Zeit

In ihrer kunstvollen Gestaltung ist Ortelius’ Karte mehr als nur Geografie – sie ist eine Momentaufnahme einer Epoche. Jede Linie, jeder Fluss und jede Grenze erzählt von einem Europa im Umbruch, in dem religiöse, politische und kulturelle Identitäten neu verhandelt wurden.

Für die Menschen dieser Zeit war eine Karte wie diese weit mehr als ein Orientierungsinstrument – sie war ein Ausdruck von Wissen, Macht und Weltverständnis.

Ein Stück Heimat – für Zuhause neu entdeckt

Diese Karte der Bistümer Münster und Osnabrück nach Abraham Ortelius ist Teil des Sortiments der Kartenhandlung Rothert.
Ein kunstvolles Dokument aus einer Zeit, in der die Region zwischen Reformation und Barock zu einem der Zentren Europas wurde.

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